Sehr geehrter Herr Bürgermeister Faißt,
sehr geehrter Herr Beigeordneter Müller,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats,
meine Damen und Herren,
unser Fraktionsvorsitzender Marcus Schautt ist entschuldigt. Er hat mich gebeten, die von ihm größtenteils formulierte Haushaltsrede der Fraktion der Freien Wähler vorzutragen. Da ich erst heute Morgen von der Situation erfahren habe war die Zeit für große sprachliche Änderungen zu knapp und inhaltlich gibt es sowieso keine Unterschiede in der Bewertung des vorliegenden Entwurfes. Ich bitte um Verständnis, wenn ich seine lateinischen Worte übernehme ohne jemals Latein gelernt zu haben und die „Ich-Form“ seiner Rede der Einfachheit halber beibehalte.
Wissen Sie, was ein „Deus ex Machina“ ist? Ich erkläre es ihnen: Deus ex Machina heißt wörtlich übersetzt „Gott aus der Maschine“. Und das ist ein Begriff aus der griechischen Tragödie: Immer dann nämlich, wenn sich die antiken Helden unsagbar tief ins Schlamassel reingeritten haben, taucht wie aus dem Nichts ein Gott auf, der sie dann rettet. Bei uns ist das so ähnlich. Auch wir Renninger Helden wähnten uns mittendrin in einer finanziellen Tragödie. Und wie damals bei den alten Griechen gilt auch jetzt für uns: Wenn Du denkst es geht nix mehr, kommt irgendwo – jetzt halt kein Gott daher, aber immerhin ein neuer Haushalt.
Und der ist irgendwie so ganz anders, als man es nach unserer Klausur im Juni und unseren Diskussionen in den vergangenen Monaten erwarten konnte. Ganz anders – nämlich viel positiver.
Statt eines bei der GR-Klausur prognostizierten Defizits von 2,3 Mio., beschert uns das vergangene Haushaltsjahr mutmaßlich ein siebenstelliges Plus.
Statt einer dauerhaften Unterdeckung der mittelfristigen Ergebnishaushalte prognostiziert uns dieses Werk lediglich für 2022 eine leicht rote, sozusagen eine rosafarbene Null. Und von da an: Stramm positive Ergebnisse mit einem Überschuss in drei Jahren von knapp vier Millionen.
Statt eines noch im Juni letzten Jahres im Raum stehenden Worst Case Schuldenstandes im Jahr 2024 von fast 39 Mio. wird uns hier eine Verschuldung von grade mal 3 Mio. in Aussicht gestellt. Fairerweise nach der optionalen Rückführung der Beteiligung an der Netze BW mit rund 4,6 Mio.
Meine Damen und Herren, ich würde angesichts dieser wirklich erfreulichen Zahlen normalerweise in Jubel ausbrechen. Wenn, ja wenn sie nicht in einem dermaßen krassen Kontrast stünden zu dem Höllengemälde, das uns im vergangenen Juni in der Klausur präsentiert worden ist.
Deshalb sind es zwei Gefühle, die sich bei der Betrachtung des vorliegenden Haushaltsplans um die Vorherrschaft streiten: Erstens ist da die Erleichterung, dass unsere Stadt auch in Zukunft finanziell solide aufgestellt und handlungsfähig bleiben wird.
Und zweitens gibt es die Befürchtung, dass infolge eines in seinem Ausmaß nun offenbar unbegründeten Pessimismus, der Wille zur Haushaltsdisziplin erodiert.
Was es braucht ist Maß und Ziel. Weil es nun Anlass zu Erleichterung und Optimismus gibt, mahnen wir durchaus an, die Spar- und Konsolidierungsmaßnahmen immer wieder aufs Neue auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen.
Ganz konkret: Unsere langjährigen verdienten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten auf ihre Arbeitsmarktzulage nur so kurz wie möglich verzichten müssen.
Wartungs- und Erhaltungsmaßnahmen für unsere Infrastruktur dürfen nur für sehr kurze Zeit eingespart werden, sonst laufen wir Gefahr, in einen Sanierungsstau zu geraten. Die Kosten werden bei der zeitlichen Verschiebung sowieso garantiert nicht niedriger. Sie werden sich nicht auflösen sondern in den Haushalten der kommenden Jahre wieder in neuer Höhe auftauchen.
Ausdrücklich sollten auch die Steuererhöhungen immer wieder auf ihre Notwendigkeit überprüft werden. Diese werden von unseren Bürgern sehr wohl wahrgenommen. Gerade jetzt. Gerade in Zeiten anziehender Inflation. Und eben auch weil in kaum einer anderen Stadt oder Gemeinde im Kreis Böblingen die Steuern so hoch sind wie bei uns.
Andererseits müssen wir uns vor der Versuchung hüten, Begehrlichkeiten ins Kraut schießen zu lassen. Steigende Kosten bereits beschlossener Maßnahmen, die Implementierung des Klimaschutzes in all unsere Handlungsfelder, weiterer Ausbau der Kinderbetreuung, Baumaßnahmen im Bereich der Seniorenpflege und tonnenweise Unvorhersehbares sollten Anlass genug sein weiterhin Haushaltsdisziplin zu üben. Konkret: Wir brauchen durch das Auslaufen der Genehmigung ein neues Pflegeheim. Einige Kindergärten sind in die Jahre gekommen und die Planungen für altersgerechtes Wohnen im Baugebiet Schnallenäcker III müssen vor dem Hintergrund des Stillstands an der Mühle forciert werden.
An diese Stelle passt unser traditioneller Kommentar zu den Personalkosten: Es scheint, dass hier die Zeit der massiven Steigerungen vorbei ist. Zumindest im Stellenplan ist der Wille der Verwaltung zum Maßhalten durchaus erkennbar. Ich finde, das verdient eine lobende Erwähnung.
Meine Damen und Herren, wir Freien Wähler waren im Vorfeld – das ist ja bekannt – nicht mit allen haushaltsrelevanten Beschlüssen einverstanden. Namentlich erwähne ich den Baubeschluss der Riedwiesensporthalle, den wir aber von nun an voll mittragen. Und ja, man kann sagen, im Lichte der aktuellen Zahlenlage erscheint die Finanzierbarkeit heute solider, als vor einigen Monaten. Auch die Erhöhung der Realsteuern sahen wir kritisch. Ich persönlich halte die Steuererhöhungen noch immer für falsch. Aber natürlich akzeptieren wir auch da den Mehrheitsbeschluss.
Um weitreichende Entscheidungen wie beispielsweise Steuererhöhungen für unsere Bürger oder aber Investitionen in Millionenhöhe wie die Riedwiesensporthalle besser hinsichtlich der finanziellen Folgen bewerten zu können, wären als Grundlage geringere Schwankungen der finanziellen Prognosen als Entscheidungshilfe förderlich.
Ein unaufschiebbares Zukunftsprojekt ist die Schaffung der Voraussetzungen für altersgerechtes Wohnen. Diese Wohnform soll älteren Menschen ein barrierefreies und komfortables Leben ermöglichen. Um die Weichen für zukunftsstiftende Entscheidungen für die älteren Mitbürger stellen zu können und um mehr Zeit für gründliches Durchdenken und Abwägen ohne Zeitdruck zu haben, bitten wir analog zur Kinderbetreuungsbedarfsplanung runtergebrochen auf die Stadt Renningen um eine zeitnahe Pflegebedarfsplanung. Sie soll die stationäre Unterbringung genauso umfassen wie die Wohnform des betreuten Wohnens. Wir sollten hier keine Zeit verschlafen, denn ein Mitbürger formulierte unlängst treffend „in der Mühle geht ja nichts“.
Der Spagat zwischen den Einnahmen durch die den Bürgern auferlegten Steuern und Abgaben auf der einen, dem Abarbeiten des Investitionsstaus, der Realisierung der großen Baumaßnahmen in Schulen und Sportstätten und dem nicht ohne höhere Investitionen erreichbaren Klimaschutzziel auf der anderen Seite ist eine große Zukunftsaufgabe für unsere Stadt.
Wir stellen uns dieser Aufgabe, bedanken uns bei der Verwaltung für das umfangreiche Zahlenwerk und als Fraktion werden die Freien Wähler trotz kleinerer Bedenken diesem Haushalt zustimmen.
Wir möchten unserer Vorbildfunktion hinsichtlich der angemahnten Haushaltsdisziplin dadurch gerecht werden, dass wir keine haushaltsrelevanten Anträge stellen.
Danke für die Aufmerksamkeit