Marcus Schautt

Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Renninger Gemeinderat

Haushaltsrede Freie Wähler 22. Juni 2020

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Faißt,

sehr geehrter Herr Beigeordneter Müller,

verehrte Mitglieder der Stadtverwaltung

verehrte Mitglieder im Gemeinderat,

verehrte Zuhörer,

„Außergewöhnlich“ ist ein Wort, das unsere derzeitige Situation wie ich finde zutreffend beschreibt. Außergewöhnlich, die Art und Weise, wie eine neuartige Krankheit unvermittelt über uns gekommen ist und uns neue Lebenswirklichkeiten beschert. Außergewöhnlich, wie sich plötzlich jeder mit Infektionszahlen und Exponentialfunktionen auskennt. Ich finde es auch außergewöhnlich, wie die Politik in unserem Lande auf die neue Bedrohung reagiert hat: Nämlich schnell, mit großer Einmütigkeit und im Bewusstsein, dass dies nicht die Zeit ist für kleinkariertes Gezänk. Als Ergebnis scheint unser Land  – bei allen Fehlern, die gemacht wurden – gut durch die Krise gekommen zu sein. Zumindest im internationalen Vergleich. Als außer-gewöhnlich empfand ich auch die Art und Weise, wie hier vor Ort die Heraus-forderungen gemeistert wurden. Bereits an dieser Stelle möchte ich unserer Verwaltung ein Lob aussprechen für ihr Krisenmanagement. Jetzt geht es darum, die bislang gute Arbeit weiterzuführen, und das Erreichte nicht zu verspielen. Dieser Gedanke muss dem vorliegenden Haushaltsplan zu Grunde liegen. Danach ist er zu beurteilen.

Grundsätzliches

Auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens haben wir es gerade mit zwei akuten Krisen zu tun. Mit einer Krise, die unsere Gesundheit bedroht und mit einer Krise, die unsere Wirtschaft, unseren Wohlstand bedroht. Während wir vorsichtig optimistisch sein dürfen, dass die gesundheitlichen Gefahren beherrschbarer geworden sind, so glaube ich, dass uns die Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme noch sehr lange beschäftigen wird.

Noch nie wurde ein Haushalt unserer Stadt so spät eingebracht, wie dieser. Und dennoch war noch keiner mit einer solchen Unsicherheit behaftet. Ich will nicht sagen, dass die Zahlen des uns vorliegenden Haushalts das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Allein schon aus Hochachtung vor denen, die diesen ersten doppischen Haushalt unter widrigen Umständen aufgestellt haben. Dafür gebührt ihnen Dank. Dennoch rechne ich nicht mit Widerspruch, wenn ich sage, dass die Unsicherheit, die sich hinter den Zahlen verbirgt, groß ist wie selten. Die Streuung der Wirtschaftsprognosen und Steuerschätzungen ist atemberaubend.

Wir Freien Wähler schlagen deshalb vor, dass wir finanziell streng „auf Sicht“ fahren, solange bis sich der prognostische Nebel gelichtet hat. Wir sind weit davon entfernt, eine monetäre Vollbremsung in Form eines harten Ausgabenstopps zu fordern. Geplante Projekte wie die neue Sporthalle sollen weiterverfolgt werden. Die öffentliche Hand darf nicht als wirtschaftlicher Bremsklotz fungieren, sondern muss Impulsgeber sein. Dennoch halten wir Haushaltsdisziplin für das Gebot der Stunde. Haushaltswirksame Anträge sollten auf das aus der jeweiligen Perspektive Notwendigste reduziert werden. Daran wird sich meine Fraktion halten.

Sieht man von den riesigen Unsicherheiten ab, präsentiert sich dieser erste doppische Haushalt im Ergebnis als zufriedenstellend. Wenn die Zahlen zutreffen, verschlechtert Corona unseren Ergebnishaushalt zwar um 3,8 Mio. Trotzdem würde ich von einem blauen Auge sprechen, welches wir gerne akzeptieren würden, wenn die künftige Entwicklung dann wieder nach oben zeigt. Ich sage ehrlich: So ganz davon überzeugt sind wir nicht. Dennoch – und das ist die gute Nachricht – sind wir in der Lage in „normalen“ Jahren strukturell einen ausgeglichenen Haushalt zu Stande zu bringen. Das stimmt uns optimistisch.

Die Haushaltsstruktur

All denjenigen, die wie ich einen kaufmännischen Hintergrund haben, bietet die Doppische Haushaltsstruktur eine gewisse Wesensnähe. Die Abschreibungen lenken den Blick auf die langfristigen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen. Die produktbezogene Betrachtungsweise bietet  Vorteile bei der Kalkulation von Gebühren, und Hilfe z.B. bei sogenannten “Make-or Buy“-Entscheidungen. Nicht zuletzt nimmt die Vergleichbarkeit der Haushalte mit denjenigen anderer Kommunen zu. Dasselbe gilt stadtintern über mehrere Perioden hinweg. Der Haushalt gewinnt dadurch als Controlling-Instrument eine größere Bedeutung.

Für die Mitarbeiter der Kämmerei jedoch war die Umstellung eine Herkulesaufgabe. Deshalb nochmals unser Dank an alle Beteiligten.

Der Ergebnishaushalt

Lassen Sie mich nun auf einige ausgewählte Posten des Ergebnishaushalts eingehen. Als da wären:

Die Gewerbesteuer – Sie erfährt einen Planansatz in Höhe von 9 Mio. Euro. Wir wären glücklich, wenn es so kommt. Allerdings führte der Einbruch, den wir aus der letzten großen Krise 2008 noch in Erinnerung haben, damals fast zu einer Halbierung der Gewerbesteuer des Vorjahres. Und viele Wirtschaftsforscher fürchten, dass die aktuelle Krise noch dramatischere Folgen haben könnte. In diesem Fall wäre der Ansatz von 9 Mio. zu optimistisch. Wir wiederholen deshalb an dieser Stelle unseren dringenden Appell, zur größtmöglichen Vorsicht bei der Haushaltsplanung.

Auf die allermeisten Ertragskomponenten, wie z.B. Schlüsselzuweisungen oder Gemeinschaftssteuern haben wir keinen Einfluss. Und trotzdem möchte ich warnend auf den eingeplanten Einkommensteueranteil hinweisen. Weil es sich um eine große Summe handelt, wären negative Abweichungen vom Planansatz sehr schmerzlich. Und in Zeiten von Kurzarbeit und unsicheren Perspektiven am Arbeitsmarkt bewerten wir den Ansatz von 12.5 Mio. als sportlich.

Gebühren für städtische Einrichtungen – Diese machen mit knapp 10% einen eher geringen Anteil unserer Erträge aus. Eine Corona-bedingte Erhöhung würde von unseren Bürgern als direkte Belastung negativ wahrgenommen und sollte zum jetzigen Zeitpunkt vermieden werden. Aus der doppischen, produktorientierten Betrachtungsweise heraus können sich allerdings neue Kalkulationen für einzelne Einrichtungen ergeben, die dann natürlich zu berücksichtigen sind.

Ich komme zur Seite der Aufwendungen. In meiner letzten Haushaltsrede habe ich darauf hingewiesen, dass die Steigerungskurve der Personalkosten in den kommenden Jahren abzuflachen scheint. Was für ein Irrtum! Vielmehr wachsen unsere Personalkosten dieses Jahr mit 11,8 Prozent so schnell wie noch gar nie in diesem Jahrtausend. Es ist völlig klar, dass uns ein Teil dieser Kostensteigerungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben abverlangt wird und somit nicht von uns zu verantworten ist. Dennoch haben wir das Personalkostenziel der Finanzplanung 2019 für dieses Jahr einfach mal kurz um eine knackige dreiviertel Million gerissen. Und das von einem Jahr aufs andere. Einem Zeitraum in welchem die Entwicklungsstränge eigentlich absehbar sein sollten. Die Steigerung der Personalkosten ist im Einzelfall immer gut begründbar. Und wie immer werden wir auch in diesem Jahr wieder zustimmen. Aber eine Erwartung an die Verwaltung möchte ich ausdrücklich formulieren: Lassen Sie es nicht zu, dass die Prognose dieses Jahres an Weihnachten schon wieder Makulatur sein wird.

Auf den Aufwandsposten für Sach- und Dienstleistungen – namentlich die Aufwendungen für Wartung und Erhaltung komme ich später zu sprechen. Die Mäßigung des Kreises bei der Kreisumlage ist lobenswert und hilfreich.

Und somit erwarten wir unseren ersten Ergebnishaushalt mit einem Negativsaldo von 3,9 Mio. Ohne Abschreibungen hätten wir kameral einen nahezu ausgeglichenen Haushalt. Und ohne Corona wäre es ein gewohnt gutes Ergebnis mit einer respektablen Zuführungsrate. Wenn es tatsächlich so kommt, können wir mehr als zufrieden sein.

Das mittelfristige Investitionsprogramm

Viele Maßnahmen im Bereich Schulsanierung, Schulerweiterung, Kindergartenbau, Straßenbau und Straßensanierung dürfen als gesetzt gelten. Darüber hinaus sind es zwei Großprojekte, zu denen ich explizit Stellung nehmen möchte:

Sollte uns die Coronakrise – entgegen den Annahmen dieses Haushaltsplanes – wirtschaftlich dennoch mit vollster Wucht treffen, so betrachtet meine Fraktion den Bau der Riedwiesensporthalle als das Projekt, welches am ehesten aufschiebbar wäre. Auf der Basis der vorliegenden Zahlen jedoch halten wir an der geltenden Planung fest. Wie bereits erwähnt, sehen wir die Stadt nicht zuletzt auch als wirtschaftlichen Impulsgeber. Deshalb befürworten wir, dass die Planungen vorangetrieben werden. Bevor das Projekt jedoch seinen „Point of no Return“ überschreitet, werden wir die dann herrschende Lage nochmals zu bewerten haben.

Dem Kauf und Umbau des Volksbankgebäudes zu einem neuen Rathaus stehen wir zum jetzigen Zeitpunkt positiv gegenüber. Einhellig bewertet meine Fraktion den zentralen Standort als ausgezeichnet, wobei Parkierungsfragen noch zu klären wären. Ebenso muss vor einer finalen Bewertung das in Auftrag gegebene Bausubstanzgutachten abgewartet werden. Sollte es zur Verwirklichung des Projektes kommen, legen wir Wert darauf, dass sowohl der bisherige Rathausstandort in Renningen, wie auch der in Malmsheim weiterhin von unserer Verwaltung genutzt wird. Außerdem muss über den Verkauf von nicht weiter benötigten Objekten zur Gegenfinanzierung nachgedacht werden. Leider auch – mir fällt das schwer -über den Verkauf der Mühlgasse.

Das mit dem mittelfristigen Finanzprogramm verbundene Schuldenwachstum von den aktuellen 217.000 Euro auf unglaubliche 28 Mio. im Jahr 2023 bereitet uns natürlich Kopfschmerzen. Nicht wegen der Zinsbelastung, die gegen Null tendiert. Die Tilgung ist´s, die Sorge uns bereitet. Aus dieser Perspektive sind unsere mannigfachen Warnungen zu verstehen, dass wir angesichts der aktuellen Unsicherheiten große finanzielle Vorsicht walten lassen müssen. In Zeiten wie diesen sind Risiken mit Hebelwirkungen versehen, die unsere finanzielle Gesundheit im Handumdrehen ruinieren können.

Fazit

Die letzte große Haushaltskrise hat unsere Stadt in den Jahren 2008/2009 durchlaufen. Wer bereits damals in den eigens deswegen anberaumten Klausursitzungen dabei war, weiß noch, dass damals um Kürzungen in der eigentlich lächerlichen Größenordnung von wenigen hundert Euro gerungen wurde, als gäbe es kein Morgen. Grausamkeiten wie Hallennutzungsgebühren für Vereine wurden diskutiert. Der Freibadbetrieb komplett in Frage gestellt. Büchereigebühren wurden eingeführt. Und am Rande: die Personalkosten wurden de facto eingefroren. Sie stiegen -schierer Not gehorchend – noch nicht einmal in Höhe der Inflationsrate. Meine Damen und Herren, an diesem Punkt sind wir nicht. Noch nicht – und wir alle müssen hoffen, dass dieser Kelch an uns vorübergehen möge. Bei alledem ist es trotzdem wichtig, vor lauter Corona-Fokussierung andere Brennpunkte und Handlungsfelder nicht aus den Augen zu verlieren: Die Klimathematik wird uns auch dann noch beschäftigen, wenn die Pandemie längst wieder vergessen sein wird. Das zur Entwicklung und Umsetzung beschlossene Klimakonzept darf deshalb bloß nicht in seiner Bedeutung zurückgestuft werden.

Der nach wie vor herrschende Wohnraumbedarf und -mangel wird uns weiterhin große Anstrengungen abverlangen. Uns Gemeinderäten, der Verwaltung und auch unserer Stadtbau GmbH.

Die Probleme im Bereich der Kinderbetreuung werden sich nicht in Luft auflösen. Und auch die Fortschreibung unseres Stadtentwicklungsplanes erfordert alle Aufmerksamkeit. Soll uns dieser doch Orientierungsrahmen und Kompass für die kommenden Jahrzehnte sein. Angesichts dieser gewaltigen Aufgabenfülle komme ich zu meinem nächsten Punkt:

Haushaltsanträge

Traditionell sind wir FW nicht die Fraktion, die an dieser Stelle Anträge in Hülle und Fülle vorbringt. In dieser Zeit, in der wir zu höchster Vorsicht mahnen, finden wir das umso mehr deplatziert. Nicht nur auf Grund der finanziellen Auswirkungen solcher Anträge. Sondern im Besonderen, weil wir glauben, dass unsere Verwaltung derzeit mit ihrem bereits vorhandenen Aufgabenspektrum, ergänzt durch das coronabedingte Krisenmanagement, mehr als nur ausgelastet ist.

Zwei Anliegen sind es dennoch, die ich erwähnen möchte. Eines davon als ergänzenden Hinweis zum Gesagten, das andere in Form eines formalen Antrags – unseres Einzigen.

Zum Ersten: Es ist uns bei aller gebotenen Sparsamkeit wichtig, dass Wartungs- und Erhaltungsmaßnahmen unserer Infrastruktur planmäßig durchgeführt werden. Eventueller Sanierungsstau, der nicht abgebaut wird, kommt im Nachhinein teuer zu stehen – auch das lehrt uns die Zeit von vor 12 Jahren.

Zweitens – und als Anlage beigefügt – möchten wir einen älteren Antrag (damals vermeintlich von der CDU gestellt) neu aufgreifen und modifizieren: Ursprünglich ging es dabei recht unspezifisch um das Vorantreiben der Digitalisierung auf kommunaler Ebene. Nun hat es sich gezeigt, dass insbesondere die Schulen auf eine moderne digitale Infrastruktur angewiesen sind. Daher richtet sich unser Antrag auf die Konzeptionierung und Umsetzung digitaler Modernisierungsmaßnahmen an allen Renninger Schulen. Näheres entnehmen Sie bitte dem von unserem „Bildungsexperten“ Alfred Kaufmann ausformulierten Antrag:

ANTRAG HIER HERUNTERLADEN

Schlussbemerkungen

Vor einigen Jahren habe ich einmal einen städtischen Haushalt als „wohltuend langweilig“ bezeichnet. Das dürfte grob im Jahr 2013 oder 2014 gewesen sein. Und das damalige Zahlenwerk war genau das: langweilig, durchschnittliche Zuführungsrate, durchschnittliche Kostensteigerungen, durch und durch durchschnittlich, unspektakulär.

Aber genau so sieht der ideale Haushalt aus. Wieder dahin zu kommen – nämlich ein Haushaltswerk langweilig zu nennen – das muss unser Ziel sein. Als de facto schuldenfreie Kommune mit einer Verwaltung, die in den vergangenen Wochen gezeigt hat, dass sie „Krise kann“, sind wir in einer sehr komfortablen Ausgangslage. Auf dem Weg zurück zur Langeweile braucht es keinen hektischen Aktivismus. Wohl aber Klugheit, Augenmaß und eine gute Prise Zuversicht. Der Haushaltsplan 2020 verströmt diese Eigenschaften. Aus diesem Grund stimmen wir ihm hiermit formell zu.

Für meine Fraktion bedanke ich mich bei allen Beteiligten, die unter außergewöhnlichen -wieder dieser Begriff – Umständen an seiner Entstehung mitgewirkt haben. Und ich wiederhole meinen Dank an alle Mitarbeiter der Verwaltung, die in den vergangenen Wochen und auch sonst einen prima Job gemacht haben. Ich wünsche uns allen gute Haushaltsberatungen und vor allem eines: viel Gesundheit.

Dankeschön!

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