Stellungnahme vom 28. Januar 2019: Fraktion der Freien Wähler zum Haushalt 2019 der Stadt Renningen
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Faißt,
sehr geehrter Herr Beigeordneter Müller,
verehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat,
sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,
ich freue mich, für meine Fraktion der Freien Wähler den vorliegenden Haushaltsplanentwurf des Jahres 2019 kommentieren zu dürfen. Den letzten der laufenden Amtsperiode dieses Gemeinderats und womöglich den letzten auf kameraler Basis. Dennoch ohne Sentimentalitäten werde ich jetzt ein paar Anmerkungen machen zum Verwaltungshaushalt, zum Vermögenshaushalt, zur mittelfristigen Finanzplanung, sowie zu den Schwerpunkten, die sich meine Fraktion zu Eigen gemacht hat.
Wie gewohnt ist der Gesamteindruck des vorliegenden Haushaltsentwurfs ein Positiver. Bei anhaltend guten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden wir sämtliche kommunalen Pflichtaufgaben problemlos erfüllen können. Noch bestehende Schulden werden wir weiterhin planmäßig tilgen, so dass die Pro Kopf Verschuldung von dann ca. 13 Euro pro Einwohner im Kernhaushalt de facto Schuldenfreiheit bedeutet.
Im Verwaltungshaushalt rechnen wir mit einem Gewerbesteueraufkommen in Höhe von 10 Mio. Ich will nicht verheimlichen, dass dieser Wert an der unteren Kante unserer Erwartungen liegt. Es darf spekuliert werden, dass der größte Renninger Arbeitgeber sich noch nicht dergestalt an der Gewerbesteuer beteiligt, wie mancher sich das erhofft. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Die Personalkosten – sie steigen weiter. Wieder um mehr als 10%. Wieder stimmen wir besorgt zu. Auch weil wir das Bemühen der Stadtverwaltung durchaus erkennen, die Beträge nicht ausufern zu lassen. Immerhin scheint die Wachstumskurve der Personalausgaben künftig abzuflachen, wenn man den Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung Vertrauen schenken darf.
Der Verwaltungshaushalt sieht auch weiterhin eine Gebührenpflicht zur Nutzung unserer Kindergärten und Kitas vor. Wir Freien Wähler halten das in der momentanen Situation für richtig. Die Genossen der Landes-SPD beabsichtigen, die Gebührenfreiheit der Kinderbetreuung zum Gegenstand eines Referendums zu machen. Verzeihen Sie mir, aber so ein Ansinnen finde ich unsäglich. Was passiert, wenn man komplexe Fragestellungen in einfache Ja/Nein Formate zwängt und dann die Bürger, von denen viele uninteressiert und schlimmstenfalls desinformiert sind, abstimmen lässt, das können wir gerade prima am britischen Beispiel beobachten.
Ich will nicht falsch verstanden werden: Über eine gebührenfreie Kinderbetreuung und deren Vor- und Nachteile, ihre mögliche Ausgestaltung und Finanzierung kann man durchaus diskutieren. In einer repräsentativen Demokratie sind es dann aber die von uns gewählten Politiker, welche die Entscheidungen treffen müssen. Dazu brauchts halt – entschuldigen Sie- ein bisschen Arsch in der Hose. Und die Damen und Herren der SPD Landtagsfraktion hätten das doch tun können, als sie bis vor kurzem noch Teil der Regierung waren.
Aber ich möchte nicht abschweifen, deshalb fahre ich fort mit weniger emotionalen Themen, wie den Projekten aus unserem Vermögenshaushalt: Da wird es jetzt Ernst mit dem Bau der neuen Sporthalle. Bereits der Architekten- und Realisierungswettbewerb in diesem Jahr verschlingt sage und schreibe eine Viertel Million Euro. Bei soviel Geld dürfen wir uns sicher auf tolle Ergebnisse freuen.
Der Kindergarten in der Rankbachstraße wird die Situation bei den Kindergartenplätzen weiter entspannen. Die letzte Bürgerversammlung hat uns den Eindruck vermittelt, dass dies auch von weiten Teilen der Elternschaft wohlwollend so gesehen wird. Was uns aber Sorge bereitet ist der bauliche Zustand einiger bestehender Kindergärten, wie z.B. dem in der Wiesenstraße. Um zu wissen, auf welche Sanierungsmaßnahmen wir uns zukünftig bei den Kindergärten einstellen müssen, wünschen wir uns eine grobe Zeit- und Bedarfsvorschau zur Kindergartensanierung.
Dann noch ein Rückblick auf meine letztjährige Rede. Darin erklärte sich meine Fraktion schweren Herzens einverstanden mit dem Erwerb der landwirtschaftlichen Grundstücke zwischen der B295 am Bergwald und der Bahnlinie, zur Umlegung eines neuen Gewerbegebiets Renningen Süd. Die Zustimmung unsererseits erfolgte in Abhängigkeit von der Verwirklichung einer Südrandstraße als vorgezogene Lückenschluß-Maßnahme. Wir möchten an dieser Stelle nochmal darauf hinweisen, dass wir bis zum konkreten Baubeschluss dieser Straße Grundstückskäufen nicht zuzustimmen können.
Ich komme zur mittelfristigen Finanzplanung: Diese prognostiziert moderat steigende Steuereinnahmen und eine abflachende Steigerungskurve der Personalkosten. Wenn diese Prognosen so eintreffen, müssen wir für die nähere finanzielle Zukunft unserer Stadt nicht Schwarz sehen. Optimistisch stimmt mich auch der stets konservativ-vorsichtige Ausblick unserer Kämmerei auf den mittelfristigen Prognosezeitraum von 3 Jahren: Bereits im Haushaltsjahr 2008 bereitete Herr Müller uns auf eine stark ansteigende Verschuldung im Jahr 2011 vor. Die kam aber nicht. Und auch weiterhin ging man Jahr für Jahr davon aus, dass nach weiteren drei Jahren das „Schuldenmonster“ so richtig zuschlägt. Bisher ist es nie aufgetaucht. Aber in Bezug auf Schulden ist eine gewisse Paranoia in Ihrem Fachbereich, Herr Müller ja auch gar nicht schlimm.
So, die kurzen konkreten Anmerkungen zum Haushalt wären damit abgehandelt. Diesem werden wir zustimmen. Zumal er Kontinuität wahrt und ja auch Ausdruck dessen ist, was dieser Gemeinderat in den vergangenen Jahren gearbeitet hat.
Jetzt muss ich natürlich noch ein paar Sachen sagen zu den Schwerpunkten meiner Fraktion. Es ist ja Wahljahr. Ein paar Dinge gibt es nämlich schon, mit denen wir nicht so ganz zufrieden sind:
Unsere Stadt legt sich dramatisch ins Zeug beim Thema Kinderbetreuung. Das ist gut so. Das gleiche Engagement müssen unsere älteren Mitbürger, unsere Senioren erwarten dürfen. Leider können wir beim Thema Betreutes Wohnen auch nach einem weiteren Jahr keine Fortschritte erkennen. Obwohl ich die Dringlichkeit hier an dieser Stelle vor einem Jahr wirklich betont habe. Ich habe damals von Chefsache gesprochen. Und eigentlich wollen wir nicht bei jeder Gelegenheit die Notwendigkeit einer entsprechenden Einrichtung anmahnen. So wie der alte Römer Cato. Aber wenn es der Beschleunigung dient, dann machen wir das halt. Also, liebe Stadtverwaltung: Im Übrigen sind wir der Meinung, dass wir betreutes Wohnen brauchen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Sache hinweisen, die in der Bevölkerung noch häufig missverstanden wird. Der avisierte Standort einer Einrichtung für das Betreute Wohnen liegt in der Gottfried-Bauer-Straße. Viele Mitbürger glauben offenbar, dass wir im Zuge einer Bebauung die dortigen Wasserquellen zuschütten. Dies ist nicht der Fall. Obwohl die Wasserqualität dort die reguläre Nutzung als Trinkwasser einwandfrei nicht zulässt, haben die Fraktionen der FW und der CDU erreicht, dass die Quellen zur Notwasserversorgung so erhalten, dass sie im Notfall oder Katastrophenfall, welcher uns bloß erspart bleiben möge, jederzeit aktivierbar sein werden.
Ich komme vom betreuten zum bezahlbaren Wohnen: In einem Werbeflyer, der letzte Woche bei mir im Briefkasten lag, bietet ein Bauträger in der Bahnhofstraße in Leonberg 2-4-Zimmer-Neubauwohnungen in normaler Lage an. Für durchschnittlich 6.114 Euro pro m2. Ohne KFZ-Stellplatz. Das ist bemerkenswert viel Geld. Eine dreiviertel Million für eine 4 Zimmer-Wohnung von 112 m2. Bei einer Rendite von 3% bedeutet dies eine Monatsmiete zwischen 16 und 17 Euro pro m2. 6 km von hier entfernt in durchschnittlicher Wohnlage. Auch auf Grund solcher Beispiele fordern wir für das kommende Neubaugebiet Schnallenäcker 3 ein Konzept, wonach städtische Grundstücke nur dann an Bauträger verkauft werden, wenn deren Projekte auch soziale Aspekte beinhalten.
Thema Maßvolle Innenverdichtung: Ja, wir sind für Innenverdichtung. In dem Sinne, wie es unser Planungspartner, das Büro Ruther-Mehlis vorschlägt. Es darf nicht so sein, dass die letzte grüne Fläche innerorts ausgemostet wird. Aber verantwortungsvolle innerstädtische Wohnraumentwicklung mit dem Ziel, außerörtlichen Flächenverbrauch zu reduzieren, das ist ein Ziel für das wir eintreten. Auch jetzt noch gilt für uns das Credo vom maßvollen Wachstum unserer Stadt. Um Einwänden gleich im Vorfeld zu begegnen: Zurückhaltung bei der Umlegung von Neubaugebieten steht für uns nicht im Widerspruch zu unseren Zielen bezüglich bezahlbaren Wohnraums. Selbst wenn wir unser letztes Stückchen Ackerland noch zubauen würden, würde sich der Wohnungsmarkt dadurch nicht entspannen.
Im Bereich der Verkehrsplanung möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass im Rahmen der Lückenschlussmaßnahmen an der Einmündung der Leonberger Straße in die B295 unsere präferierte Lösung eindeutig eine Unterführung darstellt. Optisch und lärmtechnisch wäre ein Überführungsbauwerk nichts weniger als eine Monstrosität.
Zum Themenbereich Verkehr gehört auch die unbefriedigende Parksituation im Gewerbegebiet Nord. Anwohner und Anlieger beklagen schon lange, dass die Parkierung dort sowohl von PKWs wie auch von LKWs einige Unzumutbarkeiten erzeugt. Wir bitten die Verwaltung darum, dass mit den Betroffenen das Gespräch gesucht und Lösungen gefunden werden, die in ein Parkierungskonzept ähnlich der Innerortslage münden könnten.
Und dann – Überraschung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen – auch wir sind für Klimaschutz. Dieses Alleinstellungsmerkmal gönnen wir Euch nicht. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang die Anbindung der Stadt und somit des Landkreises Calw an das ÖPNV-Netz. Allerdings mit einer intelligenteren Lösung als mit Dieselloks, die auf den Namen Hermann hören.
Auch sehen wir ein, dass der Radverkehr in Zukunft an Bedeutung gewinnen muss. Da werden wir in Zukunft ein offeneres Ohr haben, wenn es darum geht, diesen weiter zu fördern. Die Fahrrad-Lindenstraße ist jetzt mal ein Versuch, wenn der sich bewährt, kann man gerne über andere Maßnahmen mit uns reden, weil auch wir einsehen, dass der Autoverkehr dramatisch an Grenzen stößt. Wir würden es z.B. keinesfalls belächeln, wenn auch Bürgermeister und Beigeordneter ab und zu per meinetwegen Pedelec zur Arbeit kämen (natürlich nur bei gutem Wetter und ohne Gegenwind).
Klimaschutz passiert auch, wenn zum Beispiel der Baustoff Holz stärkere Verwendung finden würde. Weil wir einen Zimmermann in unseren Reihen haben, ist es wenig erstaunlich, dass wir bei diesem Thema mit Expertenwissen prahlen. Deshalb liegt dieser Rede ein Antrag bei, der sich der Reduzierung sog. Grauer Energie beim Hochbau widmet.
Zum Thema Klima- und Umweltschutz muss ich Euch Grünen noch ein Paar Themen lassen, deswegen komme ich zum Schluss noch auf die Mühlgasse 6 zu sprechen. Das Anwesen dort haben wir vor über 15 Jahren gekauft. Vor allem- das muss ich zugeben- auf Drängen auch meiner Fraktion. Leider haben wir in all den Jahren kein Nutzungskonzept hinbekommen. Das ist sehr schade. Es ändert nun aber nichts daran, dass dieses alte Ensemble seither rumsteht und in seiner Substanz halt nicht besser wird. Unser Antrag dazu ist einfach. Im Kern geht es darum, dass wir bis Dezember 2019 endlich einmal verbindlich wissen wollen, was mit dem Anwesen passieren soll.
Das meine Damen und Herren waren in Kürze die Punkte, die uns dieses Jahr erwähnenswert erschienen. Zusammenfassend sei darauf hingewiesen, dass wir Freien Wähler unsere Stadt auf einem sehr guten Weg in die kommenden Jahre sehen. Der Haushalt des Jahres 2019 reiht sich ein in die verantwortungsvolle Haushaltsführung der Vergangenheit. Daran haben alle hier im Sitzungssaal ihren verdienten Anteil. Bürgermeister, Verwaltung, jede einzelne Gemeinderatsfraktion. Wir Freien Wähler bilden uns ein, dass unsere Zurückhaltung bei der Stellung von Haushaltsanträgen auch einen Beitrag zur soliden Haushaltsführung leistet.
Deshalb werden wir auch dieses Jahr auf das verzichten, was wir als Kleinstanträge betrachten, die auch unterjährig behandelbar sind.
Uns so sind es nur insgesamt vier Anträge, die dieser Haushaltsrede beiliegen. Wie oben beschrieben befassen sie sich mit
- Der Berücksichtigung sozialer Aspekte beim Verkauf städtischer Grundstücke an Bauträger
- Der Verwertung des Anwesens in der Mühlgasse 6
- Nachhaltigem Bauen und der Priorisierung der Werkstoffes Holz bei gleicher Eignung
- Der Ausarbeitung eines Parkierungskonzepts für das Gewerbegebiet Nord.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der Freien Wähler stimmt dem Haushaltsentwurf 2019 zu.
Wir bedanken uns bei Ihnen Herr Faißt und Herr Müller, bei der gesamten Stadtverwaltung und nicht zuletzt bei allen Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats für eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Vielen Dank.
Marcus Schautt
Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler
und stellvertretender Bürgermeister
Anträge Freie Wähler zum Haushalt 2019
- Berücksichtigung sozialer Aspekte beim Verkauf städt. Wohnbaugrundstücke an Bauträger; Möglichkeiten und Modalitäten hierzu sind im Gremium zu diskutieren.
- Herbeiführung einer eindeutigen Beschlusslage zur Verwertung des Anwesens Mühlgasse 6 bis Dezember 2019
- Berücksichtigung und Priorisierung des „Werkstoffes Holz“ im Falle gleichwertiger Eignung bei künftigen Bauprojekten (eine weiter in die Tiefe gehende Antragsformulierung folgt bis 31.01.2019)
- Ausarbeitung eines Parkierungskonzeptes für das Gewerbegebiet Nord