Stellungnahme der Fraktion der Freien Wähler zum Haushalt 2016 der Stadt Renningen vom 25. Januar 2016
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr BM Faißt,
sehr geehrter Herr Beigeordneter Müller,
werte Kolleginnen und Kollegen im GR,
sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverwaltung, der Presse,
liebe Mitbürger,
ich falle mit der Tür ins Haus: die Fraktion der Freien Wähler stellt folgenden haushaltsrelevanten Antrag:
Antrag I
Der sich auf dem Gelände des ehemaligen Renninger Steinbruchs befindende Erddeponie-Berg sollte u.E. eine landschaftliche und ökonomische Aufwertung erfahren. Hierzu soll er zu einem überregionalen Wintersport-Zentrum für Skifahrer und Rodler ausgebaut werden. Wir schlagen die Anlage von drei bis vier mittelschweren Abfahrten samt entsprechenden Liftanlagen vor. Zur Aufrechterhaltung des Betriebs in schneearmen Wintern beantragen wir eine Vollausstattung mit Schneekanonen und die Nutzung des Renninger Sees als Speicherteich. Außerdem beantragen wir die Anschaffung zweier Pistenbullys und den Bau von Apres-Ski-Einrichtungen jeweils in Talnähe. Wir erwarten für die Gesamtmaßname eine Fertigstellung bis 2019 und fordern, dafür einen Betrag von 21 Euro Millionen als Verpflichtungsermächtigung in den Haushalt einzustellen. Die Finanzierung soll über Kredite erfolgen.
Auf weitere Anträge verzichtet meine Fraktion.
Meine Damen und Herren, das war Spass. Aber ich möchte sofort den Verdacht ausräumen, dass ich die Haushaltsberatungen ins Lächerliche ziehen will. Am Bild des Renninger Skiberges gibt es mehrere Aspekte, die real und ernst zugleich sind.
Vor allem trifft dies auf die Jahreszahl und den Geldbetrag zu. Die mittelfristige Finanzplanung sieht einen Schuldenstand 2019 in Höhe von 21 Mio vor, wenn wir es nicht schaffen, uns von einigen Wünschen oder Begehrlichkeiten vorerst zu verabschieden. Der imaginäre Renninger Skiberg wird so zu einem sehr realen Renninger Schuldenberg.
Sie Herr Faißt sind unser Hoffnungsträger, haben Sie doch kürzlich in einem Zeitungsinterview vom Renninger Weg gesprochen, der zum Grundsatz hat, dass erst dann investiert wird, wenn der Kämmerer das notwendige Geld in der Kasse hat. Genau so sehen wir das auch.
Deshalb befürworten wir die Verschiebung folgender Projekte auf den Zeitpunkt der seriösen Finanzierbarkeit. Das heißt für uns: ohne Schulden zu machen:
- neue Sporthalle 8 Mio
- 2.Abschnitt Mühlgasse 6 5 Mio
- Sportzentrum Hinterried 2,5 Mio
Das alles sind Projekte, deren Umsetzung in der Hand des GR liegt. Da sind wir von keiner anderen Behörde abhängig, wie z.B. beim Lückenschluss. Und meine Fraktion sagt ganz deutlich, dass wir die Finanzierung dieser Maßnahmen durch Kredite ablehnen.
Unsere Zustimmung findet der Kunstrasenplatz in Malmsheim, der in diesem Jahr gebaut werden soll. Das mag angesichts des Gesagten paradox klingen. Aber: Seine Vorgeschichte, die Verhandlungen mit dem TSV Malmsheim und getroffene Zusagen – all das muss berücksichtigt werden. Und für uns ist es eine Frage von Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit, dass diese Zusagen auch eingehalten werden. Gleiches gilt für die Lärmschutzmaßnahmen am Kindelberg. Hier sollten wir uns zeitnah mit der Lärmschutz-IG zusammensetzen, um eine gute Lösung miteinander zu entwickeln. Den dafür vorgesehenen Betrag von 650.000 halten wir für vertretbar.
Und der nächste Punkt, der in der mittelfristigen Planung teuer drinsteht, auf den wir aber nicht verzichten wollen, ist der Ausbau des Wohnhauses in der Mühlgasse 6. Wir Freien Wähler betrachten das Projekt Mühlgasse 6 ja schon als unser Baby. Deshalb sind wir froh, dass es mit dem ersten Bauabschnitt bald losgehen kann. Und durch einen Einstieg in die Sanierung kommt es speziell im Bereich des bisherigen Stadtarchivs zur Entlastung räumlicher Anspannungen.
Meine Damen und Herren, sie erkennen bereits, dass wir uns zum Einstieg gleich mit dem Vermögenshaushalt und der mittelfristigen Finanzplanung beschäftigen. Deshalb im Folgenden noch weitere Aspekte, die erwähnt werden sollen:
Der größte Einzelposten des VMH steckt im Schulzentrum, wo wir den Abschluss der dortigen Baumaßnahmen erwarten. Bücherei, Musikschule und neues Schulgebäude werden im Zusammenhang mit einer neuen Vorplatzgestaltung an der Jahnstraße zu einem Ensemble heranwachsen, auf das sich Schüler, Lehrer, Eltern und alle Mitbürger freuen können. Als kleine Anmerkung kann ich mir einen Satz aber nicht verkneifen: Bei der Gestaltung des genannten Vorplatzes sollten wir die Erfahrungen berücksichtigen, die wir mit Pflasterbelägen an anderen Stellen in jüngster Vergangenheit gemacht haben.
Das gilt auch für andere ortsprägende Baumaßnahmen, die dieses Jahr – zumindest planerisch – einen Anfang nehmen. Namentlich die Neugestaltung des Straßenraumes vor der ev. Kirche. Wir Freien Wähler haben sehr darauf gedrängt, die Gesamtsanierung der Hauptstraße aus finanziellen Gründen aufzuschieben. Der Teilmaßnahme an dieser Stelle stimmen wir zu, weil so eine simultane Entwicklung des Areals mit dem Bau des ev. Gemeindehauses stattfinden kann.
Entlang der Gottfried-Bauer-Straße soll Bebauung stattfinden und städtische Innenentwicklung betrieben werden. Eine Planungsrate ist der erste Schritt. Meine Fraktion sieht unsere Forderungen in Richtung einer verstärkten Innenentwicklung damit teilweise berücksichtigt. Die Stadtverwaltung hat signalisiert, dass auch von ihrer Seite dieses Thema Priorität genießt. Und sie hat eine Klausursitzung zum Thema in Aussicht gestellt. Das begrüßen wir. An dieser Stelle sei erwähnt, dass beim Thema Innenentwicklung auch ein weiterer Aspekt berücksichtigt werden sollte: Wohnraum in Renningen ist verdammt teuer. Bei kolportierten Bauplatzpreisen von über 600, Euro/qm kann sich eine Familie mit Durchschnittseinkommen kaum Wohneigentum leisten. Gleichzeitig entnimmt man der Presse, dass unsere Nachbarstadt Leonberg offensichtlich Programme kennt, mit denen der soziale Wohnungsbau gefördert werden kann. Sollte es solche Programme geben, so erwarten wir, dass auch hier darüber gesprochen wird. Schließlich ist der Soziale Wohnungsbau Satzungszweck unserer Stadtbau GmbH.
Die Tatsache, dass wir einer intensiveren Innenentwicklung vor großflächigen Neubaugebieten Priorität einräumen, hat mehrere Gründe. Unsere Außenflächen werden rarer und wertvoller. Für die Landwirtschaft wie auch für den Erholungssuchenden. Deshalb müssen wir sparsam mit ihnen umgehen. Außerdem dient Innenentwicklung stärker dem Erhalt von Ortsbild und Identität. Und als Nebeneffekt kommen kleinere Entwicklungsmaßnahmen stärker den ortsansässigen Unternehmen und Handwerkern zugute als das bei Neubaugebieten der Fall ist. Aber dennoch will ich an dieser Stelle signalisieren, dass auch meine Fraktion sich vor kleinteiligen Baulandumlegungen, die arrondierend wirken, nicht verschließt. Selbige haben wir ja auch auf der Agenda.
Desweiteren halten wir folgende Maßnahmen des Vermögenshaushalts für erwähnenswert:
- Renningen steckt eine halbe Million in den Hochwasserschutz – gut angelegtes Geld, das den Mitbürgen, die in Bachnähe wohnen direkt zu Gute kommt.
- Endlich konnte eine Lösung zur Breitbandverkabelung im Gewerbegebiet gefunden werden. Mit privatem Engagement. Eine Verlegung von Leerrohren im Zuge der Erdarbeiten ist nur vernünftig.
- Der Aufwand, der mit einer Teilnahme am EEA verbunden ist, scheint uns unverhältnismäßig. Aber natürlich sind umfangreiche energetische Sanierungsmaßnahmen, die der VMH vorsieht, aus ökologischen und ökonomischen Überlegungen heraus zu unterstützen. Exemplarisch stehen dafür die Maßnahmen im Rahmen der Sporthallenbeleuchtung. Die kosten zwar erstmal stattliche 50TE, sparen aber langfristig richtig Geld.
- Nicht explizit im Zahlenwerk enthalten ist die Errichtung der Radwegequerung an der Rutesheimer Straße beim Lidl. Das ist eine konkrete Maßnahme, die sich aus der Generalverkehrsplanung heraus entwickelt hat. Wir betrachten diese als notwendig und eigentlich auch als abschließend diskutiert. Womöglich kann die Maßnahme im Rahmen der Straßenerhaltung abgearbeitet werden, andernfalls erwarten wir einen Ansatz im Nachtragshaushalt.
So, und jetzt komme ich zum Thema, das den gesamten Haushaltsplan 2016 und vermutlich auch die der Folgejahre als eine große Unbekannte durchzieht. Die Flüchtlingsproblematik. Die Bewältigung der Flüchtlingskrise wird die Stadt Renningen Geld kosten. In einem Ausmaß, das momentan überhaupt nicht absehbar ist. Wir halten es für richtig, zunächst einmal mit einem Budgetansatz von 380.000 zum Bau einer Flüchtlingsunterkunft in die Planungen zu gehen. Die Standortfrage sehen wir dabei noch ungeklärt. Und wir tun gut daran, mit deutlich höherem Geldaufwand in der Zukunft zu planen und Puffer und Reserven finanzieller Art vorzuhalten. Sowohl im Vermögenshaushalt, als auch im Verwaltungshaushalt, wo sich Wohnraumanmietungen, Personalaufwendungen und andere Folgekosten niederschlagen.
Wir betrachten es als moralischen Imperativ, Menschen zu helfen, die von Krieg, Verfolgung, Tod bedroht sind. Diese von jenen zu unterscheiden, die unseren Sozialstaat ohne Not ausnutzen, das wird die entscheidende Aufgabe der Politik sein. Wir hoffen, dass die große Politik das Heft des Handelns bald wieder in die Hände bekommt.
Einige Anmerkungen zum Verwaltungshaushalt
Das Pendel der Zuschüsse und Zuweisungen einerseits und der Umlagen andererseits schlägt dieses Jahr per Saldo in eine für uns günstige Richtung aus. Wir nehmen das so zur Kenntnis und freuen uns über eine sich abzeichnende Zuführungsrate von über 3 Mio. Den Ansatz der Gewerbesteuereinnahmen hätte ich noch vor ein paar Jahren als „Angsthasenplanung“ bezeichnet. Heutzutage muß man die 7 Mio. fast ambitioniert nennen. Aber über die Gewerbesteuer ist eigentlich alles gesagt. Deshalb nur noch so viel: Wir hoffen, dass die Talsohle jetzt durchschritten ist.
Sorge bereiten uns die Personalkosten. Seit 2007 sind diese um rund 75 % gestiegen von 7,2 auf 12,5 Mio. Den Löwenanteil macht der Sozialbereich aus. Stichwort Kinderbetreuung. Aber auch die Kernverwaltung ist seit 2007 um fast 1,7 Mio „teurer“ geworden. Das heißt, Renningen benötigt für die Verwaltung einer ungefähr gleichbleibenden Bevölkerungszahl 57 % mehr Geld. Somit verzeichnet die Kernverwaltung Prsonalkostensteigerungen von mehr als 5% p.a.
Herr Faißt, betrachten Sie die Auflistung der Steigerungsraten noch nicht als Kritik. Auch hat Ihnen der Gemeinderat bisher noch keinen Wunsch nach neuen Stellen verwehrt. Bis jetzt hatten wir noch immer den Eindruck, dass sich die Verwaltung hier um Mäßigung bemüht. Dennoch müssen wir darauf hinweisen, dass Zuwachsraten beim Personal von jährlich 6,3 Prozent auf Dauer nicht gut gehen.
Zu den Realsteuern: In der Vergangenheit waren Freie Wähler und CDU bemüht, diese konstant zu halten. Das schlagen wir auch für das Jahr 2016 vor. Eventuelle Anpassungen bei den Hebesätzen brauchen Vorberatungen. Speziell im Bereich der Grundsteuer, die statischen Charakter hat, können wir FW uns Veränderungen vorstellen. Aber wie gesagt: Nicht im Hauruck, sondern mit Vorlauf. Deshalb: Beibehaltung der Hebesätze im Jahr 2016 und Diskussion über weiteres Vorgehen und ggf. über Anpassungen in der 2.JH. Das ist unser Ansatz.
Soweit unsere Anmerkungen zum Haushalt 2016 sowie zur mittelfristigen Finanzplanung. Zusammenfassend haben wir es mit einem soliden Zahlenwerk zu tun, das sich jedoch in unsicheren Zeiten womöglich flexibler zeigen muss, als uns Recht sein dürfte. Vor allem das Thema Asyl ist nicht kalkulierbar. Über einen Puffer in Höhe der Zuführungsrate können wir froh sein. Schulden lehnen wir ab. Die Zinsniveau mag zwar verlockend sein, spätestens bei einer Zinserhöhung wird aber spürbar, dass man trügerischen Sirenenklängen erlegen ist, weil sich die Annuitäten der Folgefinanzierung vervielfacht haben. Der Verschuldung, die der mittelfristigen Planung zufolge ab dem Jahr 2018 einsetzen könnte, sehen wir einigermaßen gelassen entgegen, weil sie vor allem auf Grunderwerb basiert. Teile des Geldes werden zurückfließen. Außerdem war es in den vergangenen Jahren oft der Fall, dass sich der finanzielle Horizont düster dargestellt hat. Fakt ist aber dennoch, dass Renningen in diesem Jahrtausend bisher ohne Neuverschuldung ausgekommen ist. Der Großteil des Gemeinderats, samt Bürgermeister und Beigeordneter weiß gar nicht, wie es ist, Schulden zu machen. Die Fraktion der Freien Wähler wird alles daran setzen, dass dieser Zustand weiter andauert.
Unsere Aussage aus der letzten Haushaltsrede gilt mehr denn je: Wir sind gut aufgestellt. Wir können uns alles leisten. Nur halt nicht sofort und auf der Stelle. Aber man muss es positiv sehen: das Warten steigert die Vorfreude. Z.B. auf einen Skiberg am Renninger Steinbruch.
kleiner Exkurs: Wir Freien Wähler finden alle, dass der Auffüllhaufen, um den es sich dort handelt, nicht wirklich optimal ins Landschaftsbild passt. Ganz im Gegensatz zum wirklich gelungenen Pendant am Steinbruch Malmsheim. Und wir halten es für befremdlich, dass wir als Stadt offenbar bei einem solchen Eingriff kein Mitspracherecht besitzen.
Meine Damen und Herren, ich bin mit meinen Ausführungen am Ende. Deshalb zum Schluss der formale Hinweis: Die Fraktion der Freien Wähler stimmt dem Haushaltsplan 2016 zu. Wir verzichten auf die Anmeldung von (ernstgemeinten) Anträgen.
Herr Faißt, Herr Müller, meine Fraktion und ich, wir danken Ihnen und allen Ihren Mitarbeitern für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr und freuen uns darauf, so weiterzumachen.
Vielen Dank und Ski Heil
Marcus Schautt
Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler
und stellvertretender Bürgermeister